Wölfe auf den Almen: Rechtliche Klarheit, praktische Herausforderung
- prochaska1
- 30. Okt.
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Wie ernst die Problematik „Wolf“ für die Almwirtschaft ist, zeigte ein Vorfall am 18. Juni 2023 in der Gemeinde Rußbach am Paß Gschütt: Zehn Lämmer wurden tot aufgefunden, weitere 40 Tiere galten als vermisst und mussten ebenfalls als Opfer betrachtet werden. Solche Ereignisse verdeutlichen, wie groß die Gefahr für Weidetiere ist – und welchen Druck dies auf Landwirte und Behörden ausübt.
Als Reaktion erließ das Land Salzburg am 29. Juni 2023 die sogenannte Wolfsverordnung (LGBl. Nr. 44/2023). Mehrere Jagdreviere wurden zu „Maßnahmengebieten“ erklärt. Ziel war es, die Schonzeiten in konkreten Fällen aufzuheben und nachgewiesene Problemwölfe gezielt zu entnehmen.
Doch dieser Zugang blieb nicht unwidersprochen: Eine anerkannte Umweltorganisation verlangte strengere Einzelfallprüfungen und bekämpfte die Verordnung. Der Streit landete schließlich vor dem Landesverwaltungsgericht Salzburg und in weiterer Folge vor dem Verwaltungsgerichtshof. Beide Gerichte bestätigten die Rechtmäßigkeit der Vorgangsweise.
Die Verwaltungsrichter stellten fest, dass es auf den steilen Flächen und großflächigen Almen keine praktikablen Alternativen gibt: Weder Elektrozäune noch Herdenschutzhunde bieten dort ausreichenden Schutz. Die Ausnahme von der Schonzeit und die Entnahme einzelner konditionierter Wölfe – also Tiere, die in kurzer Zeit zahlreiche Nutztiere reißen – sei das einzige wirksame Mittel, um schwerwiegende Schäden abzuwenden. Gleichzeitig betonten die Gerichte, dass es sich nicht um eine generelle Aufhebung des Schutzstatus handelt, sondern um punktuelle Eingriffe. Der günstige Erhaltungszustand der Wolfspopulation bleibe gewahrt.

Die Verfahren brachten auch rechtliche Klarheit hinsichtlich der Beteiligung von Umweltorganisationen. Anerkannten Verbänden steht das Recht zu, in Verfahren mitzuwirken, wenn Normen des Unionsumweltrechts berührt sein könnten. Unter bestimmten Voraussetzungen können sie sogar die Erlassung einer Verordnung beantragen. Der Hintergrund: Österreichische Gerichte und Behörden sind verpflichtet, für effektiven Rechtsschutz zu sorgen. Würde man Umweltorganisationen den Zugang verwehren, wäre dies eine Rechtsverweigerung.
Für die Landwirtschaft bedeutet das Urteil eine gewisse Rechtssicherheit. Dennoch bleibt die Herausforderung bestehen: Jeder Wolfsriss verursacht für die betroffenen Betriebe nicht nur wirtschaftliche Verluste, sondern auch enorme emotionale Belastungen. Gleichzeitig stehen die Behörden unter Druck, einerseits den strengen Vorgaben des Unionsrechts zu entsprechen, andererseits schnell und wirksam zu handeln. Der Ruf nach Einzelfallprüfungen ist juristisch nachvollziehbar, steht jedoch oft im Widerspruch zum Handlungsdruck vor Ort.
Autor:
Dr. Levente B. Bräuer-Nagy, 30. 10. 2025
Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift top agrar (Oktober Ausgabe).



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