Tierischer Verlust, menschlicher Schmerz – aber kein Anspruch
- prochaska1
- 11. Nov.
- 2 Min. Lesezeit
Wenn das Haustier stirbt: Trauer ist menschlich, rechtlich meist folgenlos
In diesem Beitrag erklären Rechtsanwalt Levente Bräuer-Nagy und Rechtsanwaltsanwärterin Alina Prochaska, warum der Verlust eines Haustiers im österreichischen Recht keinen Anspruch auf Trauerschmerzensgeld begründet. Es werden die Unterschiede zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit sowie einschlägige OGH-Entscheidungen beleuchtet.
Ursprünglich erschienen in „Der Standard“ unter https://www.derstandard.at/story/3000000294489/tierischer-verlust-menschlicher-schmerz-aber-kein-anspruch
Der Tod eines Haustiers ist für viele Menschen ein Schock. Das Haustier war treuer Begleiter, Teil des Alltags, oft wie ein Familienmitglied. Wenn es durch einen Unfall oder den Angriff eines anderen Tieres stirbt, bleibt Trauer – und oft die Frage: Kann man für diesen Verlust Schmerzensgeld verlangen?

Warum Tiere rechtlich (noch) anders sind
Unter Umständen kommt es für einige Tierhalter:innen überraschend, dass das österreichische Recht den Verlust eines Tieres nicht wie den Verlust eines Menschen behandelt. Zwar heißt es in § 285a ABGB, dass Tiere "keine Sachen" sind, doch das bedeutet nicht, dass sie wie Menschen behandelt werden. Für sie gelten – sofern kein Sondergesetz etwas anderes vorsieht – weiterhin die Bestimmungen des Sachenrechts.
Maßgeblich ist dabei § 1331 ABGB. Diese Bestimmung regelt, wann jemand auch für immaterielle Schäden, also für den seelischen Wert eines Tieres, Ersatz leisten muss. Ein solcher Anspruch besteht nur dann, wenn das Tier vorsätzlich, also absichtlich oder mutwillig, getötet oder verletzt wird – etwa aus Schadenfreude oder Grausamkeit.
Wie entscheidend der Unterschied zwischen Fahrlässigkeit und Vorsatz ist, zeigt ein tragischer Fall aus Wien: Ein Jäger tötete eine Schäferhündin absichtlich mit Messerstichen. Das Bezirksgericht Liesing sprach der Besitzerin dafür 6.900 Euro Schmerzensgeld zu. Nur weil der Täter vorsätzlich handelte, wurde der Anspruch bejaht – und genau dieser Vorsatz ist in der Praxis selten nachweisbar. Bei fahrlässiger Tötung hingegen, also wenn jemand unachtsam oder unvorsichtig handelt – selbst grob –, besteht kein Anspruch auf Trauerschmerzengeld.
Der Fall vor dem Obersten Gerichtshof
Mit dieser Frage musste sich der Oberste Gerichtshof (OGH) im Jahr 2020 befassen. Ein Ehepaar hatte seinen Hund bei einem Autounfall verloren. Der Unfall war – so die Gerichte – zumindest leicht fahrlässig verursacht worden. Der Hund, angeschnallt im Fahrzeug, sprang nach dem Aufprall hinaus, lief davon und wurde später tot aufgefunden.
Die Halter forderten jeweils 8.000 Euro Trauerschmerzensgeld. Ihr Argument: Der Hund sei ihr "Familienmitglied" gewesen – er wurde wie ein Kind umsorgt, zu Festen mitgenommen, trug Kleidung, bekam veganes Futter und Hundewellness. Der Schmerz über seinen Verlust sei daher mit dem Tod eines Angehörigen vergleichbar.
Der OGH sah das nüchterner. Nach den Abweisungen durch die Vorinstanzen stellte auch das Höchstgericht klar: Der Verlust eines Haustiers, so schmerzhaft er auch sein mag, begründet keinen Anspruch auf Trauerschmerzensgeld. Eine Gleichstellung mit menschlichen Angehörigen komme nicht in Betracht. Es fehle an der "Typizität der Trauer" – jener rechtlich anerkannten Form seelischer Betroffenheit, die das Gesetz nur beim Tod eines Menschen kennt.
Wer glaubt, dass sein Tier absichtlich verletzt oder getötet wurde, sollte nicht zögern. Anzeige erstatten, Beweise sichern, Zeugen notieren – und rechtlichen Rat einholen. Denn eine strafrechtliche Verurteilung beispielsweise wegen Tierquälerei kann später entscheidend sein, um Schadenersatzansprüche durchzusetzen.
Autoren: Dr. Levente B. Bräuer-Nagy, Alina Prochaska LL.M.
